Dieser Bericht ist ein vorläufiger Report über die Grabungen im Heiligtum in‚ Küçükkale’in Kaunos, die nach langer Zeit im Jahr 2007 wieder in das Programm aufgenommen wurden. Bis zum Sommer 2008 waren hier in den 70iger und 80ziger Jahren zwei unterschiedliche Bothroi ausgegraben worden. Auf dem Küçükkale befindet sich eine künstlich angelegte Terrasse (Abb. 1). Diese stützt sich im Nordosten gänzlich an die etwa einen Meter dicke Stadtmauer. Im Nordwesten befindet sich eine Mauer mit zwei etwa nebeneinander liegenden Eingängen, deren obere Teile eingestürzt sind. Die Mauer erreicht im Süden eine Höhe bis zu etwa 6.30 m. Wahrscheinlich gehört diese Phase des Ausbaus der Terrasse in die archaische Periode. In der zweiten Phase, möglicherweise im 5. Jh.v. Chr. wurde gleich daneben eine zweite Anlage gebaut. Im späten 4. Jh. v. Chr. hat diese ihr heutiges Aussehen bekommen. Für die Datierung der jüngsten Phase dieser Anlage spricht eine Inschrift in dem südlichen Teil der Terrasse. Es handelt sich um einen Namen mit karischen Buchstaben. Bekanntlich wurden, wie überall so auch in Kaunos, mit dem Hellenismus lokale Sprachen verboten. Obwohl wir bisher keine Funde haben, wurde diese Anlage mit größter Wahrscheinlichkeit auch in der späthellenistischen und römischen Periode ununterbrochen genutzt. Wir haben bisher auch keine Funde vor dem 4. Jh. v. Chr.[1] . Die Höhe der wahrscheinlich frühsten Teile der Terrassenmauern und die Lage können Beweise für einen Ort eines wichtigen Heiligtums seit der archaischen bis in die christliche Periode sein[2].
Dass die Anlage in der byzantinischen Zeit weiter heilig geblieben ist, zeigt die größte und wahrscheinlich früheste Kirche von Kaunos auf dieser Terrasse . [3] . Sie ist wahrscheinlich die erste Bischofskirche der Stadt. Sie besteht aus drei Schiffen und wird möglicherweise ins 5. Jh. Datiert[4] . In den Mauern der Kirche oder in der Umgebung erkennt man kein einziges Spolien-, bzw. frei liegendes Material, das in die frühere Periode gehören könnte. Es gibt also heute gar keine Hinweise, dass hier ein Tempel aus der vorchristlichen Periode gebaut wurde. Selbst in der untersten Reihe der Mauern der Kirche sieht man byzantinische Ziegel, die für die Datierung in die christliche Periode der Kirche sprechen[5]. (ABB.2).
BOTHROS I UND II
Von dem älteren (ersten) Bothros sind keine Photos sowie keine Angaben mehr vorhanden. Selbst der Ort dieses Bothros ist nicht mehr ganz sicher festzustellen. Wenige Funde sind von diesem Bothros bekannt, die angeblich in diesem Bothros gefunden wurden, unter anderem eine archaische Öllampe.
Bei den Grabungen des zweiten Bothros kamen unter anderem zahlreiche Terrakotten[6] , Öllampen[7] Hydriskoi sowie unterschiedliche Metallfunde zutage. Hier hat man nur Notgrabungen durchgeführt. Gleich nach der Beendigung der Grabung wurde die Arbeit in diesem Bereich eingestellt.
Als Deponierstelle für diesen Bothros wurden die natürlichen Zwischenräume des aufgewachsenen Felsens auf der Terrasse verwendet (Abb. 3). Keine Bearbeitung des Felsens sowie keiner besonderer Grund für die Auswahl dieses Bereiches für ein Bothros ist festzustellen. Wahrscheinlich wurden für die Deponierungen der Beigaben nächsten und auch dafür geeignete Stellen außerhalb des Heiligtums benutzt. In diesem Fall können wir nicht von einer rituellen Deponierung ausgehen, sondern ist es vielmehr anzunehmen, dass es sich bei den Bothroi von Kaunos mehr um Abfallgruben handelt, weil durchaus keine Ordnung bei der Deponierung der Weihgaben vorhanden ist. Soweit man erkennt hat dieser Ort des Bothros keine direkte Verbindung mit dem Heiligtum, sondern liegt abseits des heiligen Bezirks. Die einzige Kultstätte in diesem Bereich bildet aber die Terrasse, zu der das Bothros gehört. Bei diesem Bothros II erreicht die Höhe der deponierten Beigaben bis zu 1,2 m, ohne dass dabei irgendwelche Zeitunterschiede zu beobachten sind (Abb. 4).
Die Funde wurden, soweit man erkennen kann, gemischt und unbeachtet in den leeren Zwischenraum der Felsen deponiert. Dabei wurden vor allem Terrakotten zerstört. Aber auch Hydriskoi und natürlich auch die verhältnismäßig zahlreich gefundenen Kernoi. In diesem Bereich konnte man keine Rücksichtnahme bei der Deponierung der Beigaben feststellen. Dass die Beigaben nicht absichtlich zerstört wurden, bevor sie deponiert wurden, zeigen, dass die viele Terrakotten, Hydriskoi, einige Kernoi, sowie unzählige kleine Öllampen, vollständig erhalten zu tage gekommen sind.
Die wichtigsten Fundgruppen aus diesen Bothroi II wurden von C. Işık zusammengefasst[8] . In diesem Bothros gefundene Terrakotten weisen vor allem auf Hydrien-, Kinder- und Ferkeltragende Frauen hin[9] . Aus diesem Grund geht man davon aus, dass diese Terrasse, auf der diese Weihgaben gefunden wurden, Demeter geweiht wurde[10]. Auch thronende Doppelfiguren unter einem gemeinsamen Mantel sowie Kernoi[11] und die Reste von einem rechteckigen Tablett[12] beweisen eindeutig, dass es sich hier um einen Kultort für Demeter handelt. Außerdem sind hier auch unzählige Öllampen gefunden worden[13]. Allerdings sind neben diesen Funden, die vor allem in den Demeterheiligtümern vorkommen, auch unterschiedliche Funde wie Männerfigurine von verschiedenen Typen oder sog. ‚Tempelboys’ zutage gekommen, die normalerweise mit dem Demeterkult nichts zu tun haben. Dies liegt nahe, dass das Demeterheiligtum entweder manche Eigentümlichkeiten aufzeigt, oder auf dieser Terrasse neben Demeter auch andere Gottheiten verehrt wurden.
Die Keramikfunde sind in diesem Bothros II sind nur auf Hydriskoi beschränkt, die in den Demeterheiligtümern reichlich vertreten sind. Allerdings kommen sie auch in den Heiligtümern anderer Gottheiten vor [14].
BOTHROS III
Die Tätigkeiten in diesem Bereich fanden bis 2007 als Notgrabung in dem Bothros außerhalb des Heiligtums statt. Im Jahr 2007 wurden die Grabungen wieder in das Programm genommen. Um diesmal den ganzen Hügel zu erforschen wurde die Terrasse erstmal vom Busch freigelegt. Im Sommer 2008 sind zum ersten Mal im inneren Bereich der Terrasse Grabungen durchgeführt worden. Bei diesen Grabungen kamen die Reste der Kirchenmauern im westlichen Bereich zu tage, wo sich der Haupteingang der Kirche befindet, die bis dahin nicht oder nur teilweise zu sehen waren. So konnte der Grundplan der Kirche beinahe vollständig ergänzt werden. Außerdem ließen sich Spuren auf dem aufgewachsenen Fels erkennen, die m. E. nicht von Natur entstanden sein können, wenn auch ihre Funktionen noch nicht erklärt werden konnte. Nach meiner Meinung könnten diese Spuren auf die Opferkanälen und -gruben hinweisen, die in einem offenen Heiligtum für chtonischen Gottheiten zu erwarten sind.
Innerhalb einer Rundung, die teilweise in den Fels des mittigen Schiffs in der Kirche gehauen wurde, hat man auch Ausgrabungen durchgeführt. Gleich unter dem heutigen Laufhorizont kamen sehr dicht deponierte Funde, wie Hydriskoi, Kernoi, kleine Öllampen und auch in kleinerer Anzahl Terrakottenfragmente zutage. Soweit man erkennen kann, handelt es sich auch hier um ein Bothros (Abb. 5).
Wie bei Bothros II ist auch in diesem Bereich von einer systhematischen Anordnung bei der Deponierung der Beigaben keine Rede. Alle Beigaben scheinen achtlos in diesen Felsraum hineingestellt worden sein, ohne dass dabei irgendwie Sorgfalt aufgewendet wurde (Abb. 6). Allerdings sieht man hier, dass der Fels teilweise halbrundförmig geschnitten ist. Ob dieser Bereich für die Deponierung der Funde in dieser Form bearbeitet wurde, oder erstmal als Opfergrube o. ä. in Gebrauch war und erst im 4. Jh. v. Chr. sekundär als Bothros verwendet wurde, lässt sich erstmal nicht feststellen. Aber wenn wir an die Lage des Bothros II denken, liegt nahe, dass dieser Ort nicht als Bothros geplant war.
Solche Deponierungsgrube in dem mittigen Schiff der Kirche ist möglicherweise ein Zeichen dafür, dass diese Rundung außerhalb des Heiligtums lag, als dieser Bereich als Bothros geplant wurde. So könnten sich die Spuren auf dem Fels westlich dieser Rundung außerhalb des Heiligtums befinden. Wahrscheinlich gehören die Spuren zu einer Mauer, die die Kanäle umgab. In dem Fall ist es anzunehmen, dass hier ein Heiligtum nur aus offenen Opferkanälen entstanden ist und dessen Umgebung mit einer Mauer umfasst war.
In dem Bothros III hat man mehr Hydriskoi und einige Lekythoi und kleine Öllampen gefunden. Die Figurinen sind hier viel seltener als in Bothros II. Wir mussten allerdings hier unsere Grabung aus Zeit und Kostengründen erstmal abbrechen, weil wir hier mit einer Deponierungsgrube nicht gerechnet hatten. Aus diesem Grund können wir zurzeit für den Charakter dieses Bothros und die Funde nichts Näheres sagen.
Die hier gefundenen Hydriskoi ähneln sehr Lekythoi, von denen einige hier auch zutage gekommen sind. Der einzige feststellbare Unterschied zwischen den Hydriskoi und Lekythoi sind die horizontalen Henkel bei den Hydriskoi, die plastisch an der Schulter angesetzt sind. Manche sind weißbemalt. Erstaunlicherweise unterscheiden sich die Hydriskoi aus diesem Bereich stark von den anderen Hydriskoi des Heiligtums, die in Bothros II und bei den Grabungen im Eingansbereich der Kirche zutage kamen. Die hier gefundenen Hydriskoi haben sehr enge und trompetförmige Hälse, während die übrigen aus dem Bothros I und aus den Grabungen der Kirche breite und zylindrische Hälse haben. Das zeigt, dass ein Zeitunterschied zwischen diesen Hydriskoi bzw. Beigaben zwischen beiden Fundkomplexen besteht.
BOTHROS IV
Ein anderer Bothros wurde während der Reinigungsarbeit zufällig an der nördlichen Außenseite der Kirchenmauer entdeckt. Der Bothros ist an der östlichen und südlichen Seite durch Felsen begrenzt, während der nördliche Teil mit einer Mauer aus grob bearbeitenden Steinen entstanden ist. Die westliche Seite des Bothros IV wird durch die Terrassenmauer bestimmt. Die Tiefe des Bothros beträgt 190 cm und die Breite 90 cm. Die innere Breite variiert sich zwischen 35 und 50 cm. Die Grube des Bothros verengt sich in Richtung West, während die Tiefe vom Osten nach Westen zunimmt. In dieser Bothrosgrube sind kleine Öllampen, Hydriskoi, Hydrienkernoi und Terrakotten von dem Typus ‚Hydrientraeger’ gefunden worden (Abb. 7 und 8).
BOTHROS V
An der etwa 330 cm östlichen Seite von Bothros IV entfernt, stießen wir auf ein weiters Bothros. Dieser Bothros V hat einen etwa viereckigen Grundriss und ist wahrscheinlich durch die Vertiefung des Felsens entstanden. Auch dieser Bothros V stößt gleich an die nördliche Mauer der Kirche. Dieser deutlich kleinere Bothros hat die Masse von 110x100 cm und eine Tiefe von etwa 30 cm. Auch die Anzahl der Funde ist sehr gering bei diesem Bothros V, wobei kein Unterschied zu den Funden von Bothros IV zu erkennen ist (Abb. 9).
BOTHROS VI
Als wir in dem mittleren Schiff der Kirche mit der Grabung anfingen, trafen wir gleich unter der heutigem Laufhorizont auf ein weiteres Bothros, dessen Besonderheiten stark an das Bothros I erinnern. Dieser Bothros VI hat wie Bothros I keine richtige Begrenzung durch Mauern oder Felsen. Die Beigaben wurden einfach in die Zwischenräume der Felsen geschüttet (Abb. 10). Dabei wurde auf die Beigaben keine Rücksicht genommen, sodass viele von denen, besonders die größeren Gefäße stark zerstört wurden. Weitgehend stimmen die Funde hier mit den anderen Beigaben aus den anderen Bothroi überein. Allerdings machen sowohl manche Funde, als auch Fundumstande diesen Bothros VI besonders bedeutend. Hier hat man 110 Silbermünzen gefunden, die an der Ecke des östlichen Rands in der Fülle der Beigaben in der graufarbigen Erde mit zahlreichen Ferkelknochen zusammen entdeckt wurden (Abb. 11). Ein relativ großer Terrakotta-Kopf aus der archaischen Periode bildet den frühsten Fund bisher in diesem Heiligtum, der allerdings gleich unter dem Laufhorizont gefunden wurde. Also gehört er nicht zum Bothros. Die zahlreichen Ferkelknochen in dem westlichen Bereich des Bothros sind eine wichtige Fundgruppe, die wiederum in einer graufarbigen Erde mit viel Asche zusammen gefunden wurden (Abb. 12). Zum ersten Mal haben wir durch Zufall haben hier festgestellt, dass fast alle kleinen Öllampen im inneren Bereich jeweils kleine Knochen enthalten. Vielleicht war dies auch der Fall auch bei den anderen Öllampen aus anderen Bothroi, die wir leider nicht mehr nachkontrollieren können. Nur die Öllampen, die kopfüber standen, hier haben keine Knochen im Innern Wahrscheinlich sind die Knochen dieser Öllampen einfach verloren gegangen. Soweit wir gesichtet haben, sind die Knochen zuerst durch starke Schläge zerstückelt worden, dann in die Öllampen in kleineren Stücken deponiert und danach innerhalb dieser Öllampen der Gottheit geschenkt worden (Abb. 13).
VERGLEICHBARE KONTEXTE
Vergleichbare Fundkontexte aus Demeterheiligtümern aus Karien und Umgebung sind aus Theangela, Halikarnassos, Kos, Knidos, Priene, Iasos bekannt. In Lindos wurde eine Inschrift gefunden, in der von einem Heiligtum der chthonischen Dreiheit Demeter, Kore und Zeus Damation die Rede ist, wenn auch bisher das Heiligtum selbst noch nicht gefunden wurde[15]. Möglich ist es auch, dass Demeter dieses Heiligtum mit anderen chtonischen Gottheiten wie Dionysos oder Zeus Damation geteilt hat, wie bei den anderen Fundorten aus Karien und Lindos[16]. Weitere Erklärungen können möglicherweise durch die Forschungen und Grabungen in diesem Bereich der Terrasse gewonnen werden.
KULT
Anhand der Funde in den Bothroi ist anzunehmen, dass hier vor allem Demeter verehrt wurde. Aber diese Verehrung entspricht m. E. mehr dem unterirdischen Charakter von Demeter. Der chtonische Charakter dieser Gottheit ist sowohl von ihr selbst, als auch von ihrer Tochter Persephone durchaus bekannt. Wie die hohe Anzahl der Männerfiguren zeigt, wurde Demeter entweder eigenartig in Kaunos verehrt, oder sie hat dieses Heiligtum mit anderen Gottheiten wie mit Dionysos oder mit Zeus Damation geteilt, wie auf Rhodos[17]. Eine andere Möglichkeit wäre, dass in diesem Bezirk in verschiedenen Zeiten unterschiedliche Rituelle stattgefunden haben. Die möglichen Spuren der Opfergruben und –Kanäle sind bisher der einzige Beweis für ein Kultzentrum in diesem Bereich der Terrasse. So könnte man erstmal annehmen, dass hier von Anfang an (eine) gleiche Gottheit(en) verehrt wurde(n). Vergleichbare Opfergruben sind aus Priene[18] und Pergamon[19] bekannt, die allerdings zu monumentalen Tempeln gehören, die in Kaunos fehlen. Auch in Knidos, einer anderen karischen Stadt, fehlen monumentale Architekturreste. Dort wurden leider auch keine umfangreichen Forschungen durchgeführt[20]. Weitere Forschungen in diesem Bereich sollen Erklärungen auf diese Fragen bringen.