Aus drei wichtigen Fundorten des Vorderen Orients, Kültepe (Kaniş)[1] (Taf. I, Abb. 1-3), Teil Mardikh (Ebla)[2] (Taf. II, Abb. 4) und Gebail (Byblos)[3] (Taf. II, Abb. 5-6) kennen wir ein Kultgefaess, das wegen seiner ausserordendichen Form besonderes Interesse erweckt. Darunter nimmt das Kültepe- Beispiel eine besondere Stellung ein, da man dort dieses Gefaess am besten erkennen kann. Daher möchten wir es hier kurz bekannt machen. Es wurde auf einem Rollsiegelabdurck im Adad- Sululi- Archiv, in der Schicht II gefunden. Es wurde von N. Özgüç wegen seiner Stileigenschaften der "syrisierenden (Kolonie-) Stil" -Gruppe zugeordnet.[4] Die Darstellung besteht aus zwei Szenen; die rechte (wohl Hauptszene) zeigt zwei sitzende Gottheiten und ihre Diener; die linke eine nackte Göttin, die ihre Brüste haelt, zu beiden Seiten von Stiermenschen flankiert. Das Gesicht der Göttin ist zur Hauptszene hin gewandt. Die uns interssierende Figur befindet sich in der Hauptszene, vor der rechten, sitzenden Gottheit. Sie wurde etwas kleiner dargestellt und haelt in ihrer rechten Hand ein Kultgefaess. Da diese Siegelabdurck von einem sehr qualitaetvollen Siegel stammt, kann man die feinen Einzelheiten genau erkennen (Taf. I, Fig. 1). Dieses Gefaess hat die Form eines weiblichen Unterkörpers mit einenr Bügelhenkel. Der Hals des Gefaesses ist in Zylinderform wiedergegeben, deren Oberteil an beiden Seiten ebenfalls zylinderförmige Zusaetze für den Bügelhenkel besitzt, wie es von Metallgefaessen aus dem Vorderen Orient wohl bekannt ist[5].
Das zweite Beispiel befindet sich auf einem "Kultbecken" aus Teil Mardikh, das in der Cella des Tempel D, in der Sechicht III- A gefunden wurde. Zwei Diener, Teil einer Bankettszene, tragen in ihren Haenden jeweils ein solches Kultgefaess, dessen Einzelheiten schwer zu erkennen sind. Wenn wir das "Kultbecken" von Teil Mardikh und die Kültepe- Glyptik (die "syrisierende Kolonie-Stil- Gnippe” - und anatolisclre Gruppen) naeher untersuchen, sehen wir gewisse Aehnlichkeiten in der Wiedergabe der dargestellten Objekte, wie Z.B. der Tische, Schemel und Gefaesse sowie der Tierkorper und der Bekleidungen[6].
Neben diesen Beispielen, die das Gefaess lediglich als Darstellung zeigen, besitzen wir das Original eines aehnliclren goldenen Gefaesses. Es wurde im Obeliskentempel in Byblos, in einem Depot von Opfergegenstaenden vor dem Hof gefimden. Obwohl es nicht vollstaendig erhalten ist, zeigt es reiche Verzierungen verschiedener Techniken. Die Frage, ob damit eine Bekleidung des Körperteiles betont werden soll, bleibt offen: aber wohl möglich.
Interessant ist jedoch die Darstellung eines Menschen, der sich nahezu in der Mitte des Gefaesses befindet, was sich mit einigen Idolen des Vorderen Orients vergleichen laesst, wie Z. B. den"Marmor- Idolen"[7] aus Kültepe und den "Augen- Idolen” aus Teil Brak[8]. Alle diese Beispiele zeigen eine gemeinsame Eigenschaft, obwohl sie nicht miteinander verwandt sind. Sie bestehen aus einem stark stilisierten Menschen- Korper auf den eine weitere mensctiliche Figur aufgesetzt ist. Zweifellos sind diese Beispiele als symbolhafte Darstellungen menschlicher Fruchtbarkeit aufzufassen.
Obwohl das Beispiel aus Byblos keinen Henkel besitzt, durfte es aufgrund der Kultepe- und Teil Mardikh - Beispiele ebenfalls mit einem Bügelhenkel ergaenzt werden. Aus der Publikation geht hervor, dass sich am Hals dieses Gefaesses in mittlerer Hohe vier Locher befinden, die als Ansatz des Bügelhenkels gedeutet werden können.
Alle hier kurz untersuchten Beispiele gehören derselben Zeitspanne, dem Anfang des II. Jhts. V. Chr. an. Aufgrund ihren Fundlage sowie ihrer Eigenschaften dürfen sie vielleicht mit dem Fruchtbarkeitskult in Verbindung gebracht werden.
Ein kürzlich publiziertes Ton-Gefaess aus dem sog. Tempel in Inandrktepe, woher auch die beriihmte Reliefiase mit dem Thema "Heilige Hochzeit" sammen soll, zeigt eine aehnlrche Form. Anhand dieser beiden Funde kann man vermuten, dass Inandrktepe ein Zentum des Fruchtbarkeitskultes war.
Diese Art von Kultgefaessen kennt man auch von Haba e ti aus der Cucuteni Kultur[9]. Diese Beispiele sowie die in Anatolien, Syrien und Palaestina bekannt gewordenen Stücke zeigen uns, dass diese Art Gefaesse in einer sehr weiten Raum sowie in einem sehr langen Zeitspanne vorkommen.
An Hand des inandrktepe-Beispieles stellen wir weiterhin fest, dass es auch im hethitischen Bereich eine gewisse Rolle gespielt hat. Ausserdem kann man diese Gefassform mit den sog. "Gefaessfrauen" urrd "Bauchgefaessen" in Verbindung bringen, die zweifelsohne im Fruchtbarkeitskult eine wichtige Rolle spielen[10].
PORTSCRIPTUM:
Ein von T. SİPAHİ, Ankara üniversitesi, Dil ve Tarih-Coğrafya Fakültesi Dergisi: 377, Band XXXVH/1-2, 1995, s. 711-718 publizierter Aufsatz, "Kültepe'den Sepet Kulplu Madeni Bir Kap", der ein sehr aelmliches Metallgefaess aus Kültepe behandelt, erschien erst nach Abschluss des Manuskripts, und konnte deshalb nicht mehr berücksichtigt werden.