"Als Beispiel des Glaubens und der Milde, als Meister der Enthalt-samkeit hat Er dich deiner Herde vorangestellt. Er, der die Fülle der Wahrheit ist. So hast du durch deine Erniedrigung den Himmel erlangt, durch deine Armut den Reichtum. Hoher Vater Nikolaos, bitte bei Chris-tus-Gott, daB Er unsere Seelen errette". [1] So lautet die deutsche überset-zung der im 19. Jahrhundert, wohl in der Zeit des russischen Zaren Ni-kolaus I., in kirchenslavisch verfaBten Lobpreisung auf einer Platte, die heute einen auf der Vorderseite mit einer schlichten Schranke abgeschlos-senen römischen Sarkophag im Rund der mittleren Apsis in der Ostwand der lteren Südost-Kapellen der Nikolaoskirche in Myra bedeckt.
In diesem dem VorOngerbau der Kirche zugehörigen Bestandteil A (Fig. 1.2, Abb. 1.2) wurde avermutlich” in mittelbyzantinischer Zeit ein Arkosolium errichtet (Abb.3).[2] Eine zuskzlich aus Spolien zusammenge-setzte Schrankenanlage vor der Apsis [3] und die alte prunkvolle Ausgestal-tung des FuBbodens (Abb.2) sollen dieser Grabstkte so sehr das Ausse-hen eines Allerheiligsten gegeben haben, daB Reisende wie H. Rott sie bis zum Beginn unseres Jahrhunderts als diejenige Stelle bezeichneten, wo "nach alter Tradition der Hl. Nikolaos verehrt” wurde. [4] T. A. B. Spratt und E. Forbes weisen um die Mitte des letzten Jahrhunderts auf eine klei-ne Kirche über dem Grab des Heiligen hin, womit sie -dem Gesamtplan des Baues nach- wohl dieselbe Stelle meinen.[5] 3 Auch G. E. Bean bildet in seinem bekannten Buch "Lykien” denselben Raum als "das angebliche Grab des H1. Nikolaos” ab, wobei er -wie P. Armando- glaubt, daB von dem ursprünglichen Grab heute niçhts mehr erhalten ist.[6] Skeptisch u-Bert sich dazu auch U. Peschlow: Nach ihm könnte die Ursache für die von Rott überlieferte traditionelle Benennung dieser Stelle als Grab nur in falschen Vorstellungen liegen, weil "die Verehrung des Heiligengrabs und damit auch die genaue Kenntnis seiner Lage durch das Verlassen des Klosters und der Kirche in spterer Zeit abriB", und man folglich "erst bei der Wiederherstellung dieses Grab als das des Nikolaos neu benann-te”.[7] Darauf komme ich unten wieder zurück.
Der zweite unter den din christlicher Zeit wiederverwendeten römischen Sarkophagen in der Kirche, in dem die Pilger heute das Grab des Hl. Nikolaos zu erkennen glauben und das sie an seinem Gedenktag am 6. Dezember verehren, steht leicht schilg in der groBen Nische des un-mittelbar westlich des obigen Grabraums durchOngigen südlichen Seiten-traktes B (Fig.ı).[8] Der in einer bilderfeindlichen Zeit überarbeitete und stark beschkligte Skilensarkophag mit einem Klinendeckel (Abb.4) gehört zu den repisentativen Typen der anatolischen Schöpfungen in der Römerzeit. Ob dieser "nach dem 1(387 erfolgten Raub der Gebeine des Heiligen als Ersatz für einen anderen dort aufgestellten"[9] Sarkophag tat-skhlich "für seine verbliebenen Reliquien oder für eine andere Bestattung bestimmt gewesen ist",[10] t° wird unten besprochen.
In dem Translationsbericht der Bareser ist ausführlich geschildert, da6 die Kaufleute "das Marmorgrab des Heiligen von dem berühmten Manna erfüllt fanden, und es einige Schwierigkeiten bereitete, die Kno-chen aus der sie bedeckenden Flüssigkeit herauszunehmen...” AuBer Reli-quien nahmen sie auch noch "zwei Ampullen mit dem berühmten Man-na des Nikolaos” mit.[11] II Dieser Sachverhalt ist für die Bestimmung des Sarkophags des Heiligen von groBer Bedeutung, denn er müBte wegeser besonderen Funktion im "Kult" auf dem Deckel und am unteren Telides Kastens öffnungen zum EingieBen bzw. AuslieBen dieses nach der Überlieferung heilkrftigen öls haben. [12]
Gerade deswegen erkffirt Peschlow vier Fragmente aus römischer Zeit (Abb.8-13) zu einem Dachdeckel eines Heiligensarkophags "wahrscheinlich wie naheliegend" des Hl. Nikolaos zugehörig. [13] Der Sarkophag selbst wurde sOter durch den heutigen Rankensarkophag (Abb.5-7)"[14] ersetzt; die Fragmente des Deckels -vom attischen Dachtypus- befinden sich im Grabraum des auBeren südlichen Seitentraktes C der Kirche Abb.5). [15] Zwei davon besitzen je eine groBe, "nachtr4lich" vorgenommene Einarbeitung (Abb.i 1.13), die durch einen Kanal mit dem Innem des "nicht erhaltenen" Sarkophagkastens verbunden war und daher nur dem EingieBen von Flüssigkeiten gedient haben konnte. Nach Peschlow soll hier in der Nikolaoskirche, wo die Fragmente zutage kamen, auch der Sarkophag aufgestellt gewesen sein, und durch die Einarbeitungen im Deckel das wundert;itige Myron gewonnen worden sein. [16] Diese Interpretation ist logisch, aber nicht ganz problemlos: Nicht nur, weil nicht zuletzt "die Sitte der GuBspende -wenn auch selten- schon in römischer Zeit gepflegt wurde" und "Mınliche Vorrichtungen sich bei frühchristlichen Reliquiaren in Sarkophagform aus dem nordöstlichen Mittelmeergebiet finden", sondem auch, weil der Nikolaos "nicht der einzige Heilige gewesen ist, der in Myra verehrt wurde".[17] Zu erw ınen sind vor allem die alten Stadtmrtyrer Kriskentos, Dioskoridos und Nikokles. [18]
SchlieBlich kann nicht einmal der Translationsbericht der Bareser, wonach das Grab des HI. Nikolaos "unter dem Marrnorpaviment" liegen so11, [19] dem archologischen Befund nach als zuverlssig erkannt werden,[20]'denn alles spricht dafür, daB der Boden bald nach der Fertigstellung der Kirche gelegt wurde. [21]
Dieses unscharfes Bild von der ursprünglichen Grabsttte des Heili-gen ist durch die verschiedenen ineinander verflochtenen verschiedenen Bauphasen und Erneuerungen der Grabkirche bedingt, die im Laufe der Zeit viele Anderungen durchgemacht hat (Fig.1). [22] Nikolaos wurde -im Gegensatz zum herkömmlichen christlichen Brauch- anstatt in seiner Bi-schofskirche, der Irenenkirche,[23] wahrscheinlich in einem winzigen, kapellen-artigen Memorialbau beigestzt, welcher über der BegrMmissffitte von Stadtmrtyrern in der chnstlichen bzw. römischen Nekropole errichtet worden war [24] und auBerhalb der Stadt am Wege von Myra zum Hafen Andriake lag. Wohl als Folge des Erdbebens von 529 wurde im 6. Jahr-hundert eine Basilika errichtet, die mit dem im Jahre 565 erwMınten Martyrion identisch sein dürfte.[25] Nach der Zerstörung des Martyrion blie-ben nur die beiden Südost-Kapellen und die fünf Joche des Nordgangs erhalten (Fig.İ.2).[26] Die im 8. Jahrhundert darüber erbaute fünfschiffige Kuppelkirche ist von diesem "VorOngerbau" mitgepr4t und wurde in mittelbyzantinischer Zeit im İİ. und 12. Jahrhundert durch zahlreiche Anbauten ganz erheblich erweitert. [27]
Nach diesem kurzen Überblick über die drei bis heute als "Grabsttte des Hl. Nikolaos" diskutierten FUume A, B und C (Fig.ı) ist man nun berechtigt zu fragen, welcher davon für seine Bestattung bevorzugt werden könnte? Da eine Krypta unter dem FuBboden archologisch nicht belegt ist,[28] muB das gesuchte Grab oberirdisch gelegen haben. Dabei sol! essich -wie noch aus der Überlieferung von einem Geistlichen aus Mytilene im 9. Jahrhundert hervorgeht-[29] um einen Sarkophag gehandelt haben. [30] Sicher ist auch, daB von diesem Sarkophag heute nichts mehr existiert: er dürfte nach dem Raub der Reliquien des Heiligen durch Bareser Kauf-leute im Jahre 1°87 einem Erdbeben oder einem Überfall zum Opfer gefal-len sein. Auch die Vermutung, wonach der Sarkophag von seinem ursprünglichen Platz entfemt und an einen anderen gestellt wurde, [31] ist wenig wahrscheinlich, weil das Grab des Nikolaos als Grabkirche den "Kem" der ganzen Anlage gebildet haben dürfte und die Basilika ihre Existenz von Anfang an diesem heiligen "Kempunkt" verdankte.
Ailem aus diesem sachlichen Grıınd dürften weder der Sulensar-kophag mit Klinendeckel (Abb.4) noch der Rankensarkophag (Abb.5-7) mit fragmentiertem Deckel (Abb.8-ı3) -auch nicht als Ersatz- für das ursprüngliche Grab des Heiligen in Frage kommen. Deswegen nicht, weil noch darüber hinaus die Nischen der 12ume B und C (Fig.ı), in denen diese beiden Sarkophage aufgestellt sind, in zeitlicher, architektonischer und funktioneller Hinsicht Probleme aufwerfen, die die Annahme der von Peschlow und Wiegartz postulierten These recht erschweren: So geht die für den Sulensarkophag bestimmte Kapelle B architektonisch "auf die Baukonzeption des 8. Jahrhunderts" zurück[32] und in diesem Raum konn-te sich kaum "auch ursprünglich eine hnliche Anlage befunden haben", da ihm jegliche architektonische Spuren aus dem VorOngerbau fehlen.[33] Der Raum der Nische C mit dem Rankensarkophag und dem zugehö-rigen Deckel wurde sogar erst mit dem Neubau der Basilika in der letzten Hauptphase "am Beginn des 12. Jahrhunderts" geschaen[34] und weist als Grabraum auch für andere Bestattungen in schlichten Srgen (Abb.5) funktionell überhaupt einen allgemeinen Charakter auf. Man würde doch einen besonderen, alleine dem H1. Nikolaos vorbehaltenen Raum erwar-ten, der ihn "als Herrn der Kirche" würdigt. Dies gilt auch für den Sı-lensarkophag, der durch seine Plazierung am Rande des Baues kaum als bedeutsam und verehrungswürdig angesehen werden kann.[35]
Auch über den fragmentarisch erhaltenen Deckel (Abb.8- 3), der von Peschlow forma! als "die Reste des Deckels des Heiligensarkophags" gedeu-tet und dessen Fundort zugleich als Aufstellungsort des Grabs vorgesch-lagen wurde, habe ich hinsichtlich seiner -bisher negierten- Zusammen-gehörigkeit mit dem Rankensarkophag (Abb.5-7)[36] noch einiges zu sagen: Nach Peschlow 'list der erwÜtnte Rankensarkophag zwar ohne Deckel, doch schon aufgrund der MaBe kann er nicht dazu gehört haben".[37] Nach Wiegartz dagegen könnte er seinen MaBen, seiner Typologie und seiner zeitlichen Einordnung nach der Deckel des Rankensarkophags sein; [38] da aber "das Klammerloch in der Mitte des unteren Deckelprofıls einer Schmalseite (Abb.g) an den Schmalseiten des Rankensarkophags keine Entsprechung finden" sollte, wurde ihre Zusammengehörigkeit von ihm "mit groBer Wahrscheinlichkeit" für “ausgeschlossen" gehalten.[39] Eine genaue Untersuchung der eng an die Nischenwand gerückten linken Schmalseite des Kastens zeigt aber, daB das gesuchte Klammerloch sich dort in der Mitte des Eierstabs unterhalb der oberen Leiste befindet (Abb.7), wMırend die Klammerlöcher auf den rechten Nebenseiten der beiden Bestandteile, des Kastens und Deckels (Abb.ı o), fehlen, und damit ihre Zusammengehörigkeit eine doppelte Besttigung findet. Ob der Deckel auch ursprünglich zu diesem Rankensarkophag gehört hat, was mir von Form und Zeitstil her logischer erscheint,[40] oder nach der Zerstörundes originalen Deckels hierauf weiterverwendet worden ist, ist für das ei-gentliche Ziel dieser Untersuchung nicht von Belang; er steht ja letzten Endes in dem viel spker als "Martyrion" neu gebauten Grabraum am Westende des südlichen Seitentraktes
So ist man gezwungen, die ursprüngliche Grabstkte des Heiligen dort zu suchen, wo der Bau zeitlich zu den frühen Bestandteilen der Kirche, nknlich zu dem "VorOngerbau" bzw. zu dem "Martyrion" gehört und architektonisch innerhalb des ganzen Komplexes Besonderhei-ten aufweist sowie unbedingt eine grabartige Anlage hat. Ein solcher Ra-um, der aile diese Eigenarten demonstriert, findet sich in der Basilika nur im Südost-Flügel mit den "Mteren Kapellen"; in A (Fig.1.2, Abb.1.2). Die-ser besteht -wie auch Peschlow richtig bemerkt hat- ursprünglich aus drei in Plan und Gewölbenausführung kınlichen Raumen.[41] Wegen dieser Ausführung und durch die flankierenden Rkıme wird die mittlere Kapel-le mit dem Grab ausdrücklich betont (Fig.1.2, Abb.3); eine Feststellung, deren Bestkigung sich weiter unten auch im Zusammenhang mit den Mosaiken zeigen wird. AuBerdem gehört diese Kapelle zu den ktesten Bestandteilen derKirche, nknlich zu dem "VorOngerbau" bzw. zu dem "Martyrion" gehört und architektonisch innerhalb des ganzen Komplexes Besonderhei-ten aufweist sowie unbedingt eine grabartige Anlage hat. Ein solcher Ra-um, der aile diese Eigenarten demonstriert, findet sich in der Basilika nur im Südost-Flügel mit den "Mteren Kapellen"; in A (Fig.1.2, Abb.1.2). Die-ser besteht -wie auch Peschlow richtig bemerkt hat- ursprünglich aus drei in Plan und Gewölbenausführung kınlichen Raumen.41 Wegen dieser Ausführung und durch die flankierenden Rkıme wird die mittlere Kapel-le mit dem Grab ausdrücklich betont (Fig.1.2, Abb.3); eine Feststellung, deren Bestkigung sich weiter unten auch im Zusammenhang mit den Mosaiken zeigen wird. AuBerdem gehört diese Kapelle zu den ktesten Bestandteilen der Kirche, besitzt kein Pendant auf der Nordseite und macht somit einen für eine bedeutende Persönlichkeit zu erwartenden und insgesamt als "Grabkirche" zu bezeichnenden Eindruck. Und ihre mittlere Apsis setzt schlieBlich mit einem um iii8 in eine Arkosoleum umgebildetes Grab (Abb.3) unter der Bevölkerung als "Grabstkte des Ni-kolaos" viele Jahrhunderte lang diese Tradition fort.[42]
Peschlows Meinung, "kein Raum sei von seiner Architektur her so ausgezeichnet, daB man nur diesen als Grabraum -des Heiligen- benen-nen möchte", [43] beruht sicherlich auf demselben, vom Gesamtplan der Kirche her gewonnenen fachmkınischen Eindruck. Sein Einwand dagegen, daB keine der drei Kapellen den Charakter eines abgeschlossenen Grab-raums besitze, ist dann nichtig, wenn mit der Bezeichnung "Martyrion" ar-chitektonisch nicht ein Teil, sondem vielmehr die Gesamtheit der Anlage, besonders der -sptere- Süd-Flügel gemeint ist. Wohl deswegen sprachen Spratt und Forbes von einer "kleinen Kirche über dem Grab"[44] also nicht von einer "Kapelle" bzw. Nische, die nur mit dem eigentlichen "Grab" des Heiligen identisch sein kann. Mit der "kleinen Kirche darüber" bezeichneten sie dann den Süd-Flügel selbst. Tatskhlich dürfte die zweite Kapelle inmitten der "kleinen Kirche" nur wegen ihrer zentra-len Plazierung zwischen den beiden grablosen Apsiden (Fig.2) für das hei-lige Grab ausgewhlt worden sein. Damit ist zugleich auch die letzte Fra-ge von Peschlow, "warum die erste Kapelle, da sie dem Altarraum der Kirche am nkhsten liegt, für eine solche Bestattung nicht bevorzugt wor-den sein sollte", beantwortet.
Auch die Isolierung der mittleren Grabkapelle, die im Gegensatz zu der ersten nicht den unmittelbaren AbschluB eines nach Westen hin fort-laufenden Seitentraktes bildet (Fig.2),[45] unterstützt diese Annahme; eine dadurch entstandene Parallelisierung mit islamischen Sakralbauten, bei welchen ja bekanntlich Moschee und Kuppelgrab inDazu kommt schlieBlich, daB in der Kirche nur der Naos und "be-sonders" ihre Südost-Kapellen umfangreiche Reste eines alten Schmuck-fuBbodens besitzen (Abb.r.2), die in zahlreichen Einzelheiten motivische und handwerkliche Gemeinsamkeiten aufweisen.[46] Mit Recht weist O. Feld darauf hin, daB "die besondere religiöse Rolle der Südostkapellen zu einer aufwendigeren Ausgestaltung des Bodens geführt haben mag".[47] Die-se "besondere religiöse Rolle" kann nur in der funktionellen Wichtigkeit dieses selbststndigen und dazu mit dem heiligsten Teil des Baues, der Hauptapsis, unmittelbar in Verbindung stehenden Flügels verwurzelt ge-wesen sein, also aus seiner Funktion als "Grabkapelle des Heiligen Niko-laos" bzw. als "Keim der ihm als Grabkirche gewidmeten Basilika". hnlicher Art vonein-ander getrennt sind, ist zur Ferstkkung dieser Wahrscheinlichkeit erwh-nenswertVergleich zu den Mosaiken vor den beiden Nebenapsiden innerhalb des-selben Raums f1İt das Mosaik vor der mittleren Apsis durch das gröBere Format des Schmuckfeldes und durch die Ausführung der in der Farbe verschiedenartigen Marmorscheiben und Bordüren in "feinster opus-sectile Technik"[48]-trotz der starken Beschkligungen sofort ins Auge. Dadurch wird die zugehörige Nische in ihrer Funktion als "Grabkapelle des Heili-gen" hervorgehoben. In diesem Zusammenhang fanden auch die an drei Kanten der mittleren quadratischen Marmorplatte symmetrisch ange-brachten Inschriften, was ihre Plazierung und Bedeutung angeht, bisher kaum Beachtung Vergleich zu den Mosaiken vor den beiden Nebenapsiden innerhalb des-selben Raums f1İt das Mosaik vor der mittleren Apsis durch das gröBere Format des Schmuckfeldes und durch die Ausführung der in der Farbe verschiedenartigen Marmorscheiben und Bordüren in "feinster opus-sectile Technik"" -trotz der starken Beschkligungen sofort ins Auge. Dadurch wird die zugehörige Nische in ihrer Funktion als "Grabkapelle des Heili-gen" hervorgehoben. In diesem Zusammenhang fanden auch die an drei Kanten der mittleren quadratischen Marmorplatte symmetrisch ange-brachten Inschriften, was ihre Plazierung und Bedeutung angeht, bisher kaum Beachtung.[49]
Wegen einer gleichzeitig mit dem Arkosolium angebrachten schlich-ten Platte ist es nicht möglich, die dadurch verdeckte Vordeıseite des heu-te aufgestellten Sarkophagkastens (Abb.3) zu untersuchen. Das mögliche Fehlen von öffnungen, an denen ursprünglich das wunderffitige öl aufge-fangen werden sollte, ist allein nicht Grund genug, diesen Ort als eigent-liche Grabst.tte des H1. Nikolaos abzulehnen. Der jetzige Sarkophag kann ja -als Folge einer gewaltsamen Zerstörung- den ursprünglichen Sar-kophag mit Gebeinen und Manna des Heiligen ersetzt und zugleich jene alte ritualle Funktion verloren haben. Material und Bautechnik der Apsis besttigen dies.[50]
Trotz seiner ungemein überragenden Bedeutung ist der Hl. Nikolaos auch geschichtlich nur fragmentarisch faBbar. [51]' Er gehört offensichtlich dem 4. Jahrhundert an, da er wohl schon zu Beginn des 5. Jahrhunderts verehrt wird.[52] Nur so erkffirt sich, daB viele Kinder in Lykien seit dem Anfang des 5. Jahrhunderts den Namen Nikolaos erhalten haben, w-rend er im 4. Jahrhundert nicht vorkommt. [53]
Sein Geburtsort ist das lykische Patara,[54] das manchmal in Quellen als "Patras in Lykien" mit "Patras in Griechenland" verwechselt wurde.[55] In der Tat war Patara eine einheimische Gründung und ihr lykischer Na-me lautete Pttara. Im Altertum gelangte die Stadt durch den Kult und das -mit Delphi und Delos ebenbürtige- Orakel des Apollon zu hohem Ansehen. Noch zu Lebzeiten des H1. Nikolaos, verkündete er dort als Na-tionalgott der Lykier bis zur Abschaffung des Kults bald nach dem Edikt des Theodosius im Jahre 385 seine Weissagungen. Dadurch und durch ihren für ganz Lykien bedeutenden Hafen erreichte sie mit einer Fffiche von über too ha, in der Kaiserzeit auch als Hauptstadt der römischen Doppelprovinz Lykien und Pamphylien den Höhepunkt ihrer ruhmvollen Geschichte. Zumindest am Beginn des Christentums dürfte Patara seine Stellung als Metropolis weiterhin behauptet haben, denn der am Konzil von Nikaia im Jahre 325 zeichnungsberechtigte Metropolit der Lykier, Eudemos, war zugleich der Bischof von Patara;[56] und die antike Stadt bie-tet heute durch ihre Ruinen und Bodenfunde ein eindrucksvolles Bild aus jener goldenen. [57]
So ist es kein Wunder, daB Patara als eine ansehnliche und führende Bischofstadt im 4. Jahrhundert einen Heiligen hervorbrachte, ihn in einer ihrer sechs Kirchen ausbildete und ihn der benachbarten Stadt Myra als "heller Stern am Himmel der Heiligen" zum Wohle der Nlenschheit schenkte...