as Gelände des antiken Kyme[1] und seines Hafens wird von zwei parallelen, von Ost nach West sich erstreckenden Hügeln geprägt. Auf diesen beiden Hügeln und in der von ihnen eingeschlossenen, zur See hin geöffneten Ebene liegen die Ruinen der Stadt (Abb. I)[2]. Nördlich des Nordhügels bilden der Bach Xanthos, südlich des Südhügels ein kleines zum Meer hin fließendes Rinnsal die Grenze des Siedlungsgebietes. Außerhalb davon liegen im Norden wie Süden die Nekropolen der Stadt, die eine am Südhang des Hügels nördlich vom Xanthos, die zweite im Süden des Südhügels auf dem Gelände der Ege-Gübre-Fabrikasi (Abb. 2).
Die Erforschung Kymes beginnt mit den Ausgrabungen von A. Baltazzi im Jahre 1874, dem damaligen Besitzer des Geländes, in dem die nördliche Nekropole der Stadt liegt. Erste systematische Untersuchungen folgen hier 1880/81 im Namen der französischen Schule Athen durch die von S. Reinach geführten Ausgrabungen. Bei diesen Arbeiten sind Kybele-Stelen der archaischen Epoche (2. Hälfte des 6. Jh. v. Chr.) und Kleinfunde aus 150 Gräbern hellenistischer Zeit geborgen worden[3]. Im Jahre 1887 hat D. Baltazzi, ein Bruder des ersten Ausgräbers, die Abhänge des südlichen Hügels, wo die Agora der Stadt liegt, geöffnet und hier aus dem sog. Säulenbau eine vollständige Statue und einige Porträtköpfe aus späthellenistischer Zeit ans Tageslicht gebracht[4]. 1901 wanderte der Geograph Λ. Philippson durch die Stadt und sah sowohl and der See-als auch an der Landseite Baureste, die heute vollständig verschwunden sind[5]. Die aufgrund des ersten Weltkrieges unterbrochenen Forschungs und Ausgrabungsarbeiten in Kyme wurden im Jahre 1925 von tschechoslowakischen Forschem wieder aufgenommen[6]. Bei diesen von A. Salac und dem Architekten J. Nepomucky auf dem Nordhügel der Stadt in großem Ausmaß durchgeführten Ausgrabungen wurde ein ionischer Tempel aus dem 4. Jh. v. Chr. Freigelegt[7]. Dieser Tempel galt zunächst der Verehrung der kleinasiatischen Kybele (Artemis), wurde später aber auch der Aphrodite geweiht; seit etwa 200 v. Chr. ist hier zudem ein Isis-Kult bezeugt. Somit ist in Kyme eines der ersten ägyptischen Heiligtümer außerhalb des ptolemäischen Herrschaftsgebietes nachweisbar[8]. Ferner arbei-teten die Tschechoslowaken auch in der auf dem Südhügel liegenden Agora[9] und in der an der Seeküste befindlichen Stoa[10]. Nachdem auch die tschechischen Arbeiten unterbrochen worden waren, wurden Bodenuntersuchungen erst wieder 1953 von E. Akurgal durchgeführt, der in Phokaea Ausgrabungen und im Rahmen seiner die Umgebung betreffenden Forschungen auch einige Sondagen in Kyme unternommen hat. Akurgal erforschte die altesten Perioden der Stadt, fand dabei auf dem Südhügel Keramikfragmente der geometrischen Epoche und legte ferner eine polygonale Mauer aus spätarchaischer Zeit frei[11]. Auch deutsche Archäologen haben sich, ausgehend von den Grabungen in Pergamon, für die antike Stadt Kyme interessiert. Im Jahre 1960 erforschten J. Schäfer und der Architekt H. Schläger die Seeseite der Stadt und die Baureste, die heute das Meerwasser überspült[12]. Im Jahre 1962 hat N. Kunisch am Nordhügel den Platz des Isistempels etwa 300 m nordöstlich vom Theater korrekt festgestellt[13]. Im Jahre 1972 haben J. Schäfer, der Architekt P. Knoblauch und C. özgünel in Kyme gearbeitet und die erste topographische Karte der Stadt gezeichnet. Auf ihr sind die wichigsten Ergebnisse der bisherigen Forschung zusammengefaßt[14].
Der nordhügel weist in der Mitte eine Mulde auf, an deren Südostrand der Isistempel liegt. Dieser ist ein templum in antis ionischer Ordnung. Er hat eine Länge von 14,20 m und eine Breite von 7 m. Der nordwestlich orientierte Bau ist aus tuffahnlichem Phokaeakalk errichtet. Seine Front liegt nach Nordosten. Der Tempel besteht aus Pronaos, Cella und Adyton. Ein weiterer Raum wurde später an die östliche Cellawand angesetzt. Wie schon erwähnt, war der Tempel der Isis und davor anderen Göttinnen geweiht. Nordöstlich des Isis-Heiligtums liegt das Haus eines Töpfers, das heute unter einem Haufen von Steinen verborgen ist, welche die Dorfbewohner aus ihren Äckern ausgelesen haben. Durch die in dem Haus geborgenen Funde ist nachgewiesen, daß die Keramikherstellung im Stadtgebiet hier betrieben wurde[15]. Weiter nordwestlich vom Tempel liegen Reste von weiteren Häusern und einer großen Zisterne[16]. Von dem Theater, das am Südwesthang des Nordhügels liegt, sind keine Architekturreste mehr vorhanden. Im Gelände ist nur noch der dem Hafen und Südhügel zugewandte Platz der Cavea erkennbar[17]. Die Ebene, die zwischen den beiden Stadthügeln von Osten nach Westen zum Meer, insbesondere zum Hafen hin verlief, bestimmt mit der in der Nähe liegenden Agora und anderen Bauten das Kerngebiet der antiken Stadt[18]. Hier liegen die Reste eines monumentalen Säulenbaues, der im Zuge unserer Ausgrabungen freigelegt werden soll (s.u.).
Die Forshungen an der Seeseite von Kyme haben gezeigt, daß die Stadt zwei Häfen besaß, einen im Süden und einen im Norden (Hafen A und B). Diese sind im 5. und 4. Jh. v. Chr. als Kriegshäfen benutzt worden (Abb. ß)[19]. Die ungefähr 250 m lange, in südwestliche Richtung laufende Mole des großen Südhafens A liegt heute zum größten Teil im Meer. An der aus flachen, großen Kalksteinblöcken errichteten Mole sind zwei verschieden orientierte Mauerzüge zu erkennen. Die Steine sind der Breite und Länge nach abwechselnd aufgeschichtet und mit Schwalbenschwanz förmigen Klammern verbunden. Man hat festgestellt, daß die Mole in archaischer, hellenistischer und römischer Zeit bestanden und entsprechend drei Bauperioden erlebt hat[20]. Seit dem Altertum hat sich die Höhe des Meeresspiegels erheblich verändert. Die in den Letzten Jahren im Hafen von Kyme durchgeführten Forschungen haben ergeben, daß der Meeresspiegel seit dem 6. Jh. v. Chr. bis heute auf ungefähr 1,60 m angestiegen ist. Diese Angabe kommt dem errechneten Durchschnittswert für die Westküste Anatoliens von etwa 1,75 m nahe[21]. Architekturreste, die an der Seeküste zum Norden hin, zwischen beiden Häfen teils im Meer, teils an Land liegen, bezeugen hier eine ungefähr 250 m lange Stoa. Dieser in dorischer Ordnung errichtete Bau aus hellenistischer Zeit scheint während der Römerherrschaft in verschiedenen Phasen wiederaufgebaut worden zu sein (Abb. 4)[22]. Mauerreste, die sich auf dem Siedlungsgelände gelegentlich erhalten haben, lassen erkennen, daß die Stadt in der Antike mit einer Befestigung umgeben war. Das am besten erhaltene Mauerstück liegt am Fuß des Nordhügels in der Nähe der Fahrstraße nach Yeni Foça. Dieser Mauerrest, der über dem Gelände bis zu einer Höhe von etwa t m und einer Breite von etwa 1,50 m stehen geblieben ist, besteht aus Quadersteinen[23].
Seit dem Jahre 1970 begann insbesondere an der türkischen Westund Südküste, im Zuge der Errichtung von Ferienhäusern, touristischen und industriellen Anlagen eine regelrechte Ausplünderung und Zerstörung der dort erhaltenen archäologischen Überreste. Das Gebiet von Kyme schien wegen seiner Unebenheit, seines Wassermangels und seines bisher wenig spektakulären Charakters als Ruinenstätte mehr für Investitionen auf dem Industriesektor als im touristischen Bereich geeignet. Entsprechend sind die Stadt und ihr Hafen durch die in der Umgebung gegründeten Schwerindustrieanlagen während der letzten Jahre weitgehender Verheerung preisgegeben worden. Die fortschreitende Zerstörung der Natur, des Hafens sowie der unter Flora abdeckung liegenden antiken Bauten und Kunstwerke durch Industrieabfälle wurde zu einem aktuellen Tagesthema. Daher beschloß das Archäologische Museum in Izmir, für die Rettung der Ruinen von Kyme eine Notgrabung anzusetzen. Bei Diesen im Herbst 1979 unter der Leitung des damaligen Museumsdirektors H. T. Uçankuş durchgeführten Ausgrabungen auf dem Areal des Südhügels, in dem die Agora liegt, wurde in zwei kleinen Feldern gearbeitet[24]. Im ersten Feld wurde die sog. zweite Archippe-Inschrift freigelegt[25]. Die erste Archippe-Inschrift war bereits 1965 gefunden und in das Museum von Izmir gebracht worden[26]. Die neugefundene Inschrift, eine Fortsetzung der ersten, befindet sich auf zwei Seiten eines Steinblockes aus dünnem kristallinem weißen Marmor (H 2,40 m; B 0,65 m; T 0,50 m). Erhalten haben sich insgesamt 165 Zeilen. Beide Inschriften, die aus dem 2. Jh. V. Chr. stammen und Aspekte des Soziallebens von Kyme in helle-nistischer Zeit reflektieren, überliefern Beschlüsse der kymäischen Boule. Ihr Inhalt besagt, daß Archippe, die Tochter des Dikaiogenes, zum Wohlstand und Glück der Kymäcr ebenso wie zur baulichen Verschönerung ihrer Stadt beigetragen hat. So hat Archippe das Tor der Agora wie- derauibauen, das Bouleuterion errichten und davor eine bronzene Statuengruppeaulstellen lassen.
Im zweiten Feld wurde ein in späthellenistische Zeit weisender Kieselmosaik-Fußboden gefunden, der später durch eine darauf erbaute Mauer zerstört wurde (Abb. 5)[27]. Der Boden besteht aus weißen Tesseiae, in welche dunkeltaubenblaue Ornamente eingelegt sind. Den Außenrand bildet ein doppelter Rahmen, dann folgt ein Wellenmotiv (sog. Laufender Hund). In der Mitte befindet sich eine Rosette, eingefaßt von Feldern mit mehreren Delphinen. Vergleichsbeispiele zu diesem Mosaik finden sich in mehreren Bauten späthellenistischer Zeit beim HeiligenSee und in der Umgebung des Theaters von Delos[28]. Auch dort begegnet in der Mitte die hellenistische Rosette. Das Motiv des Laufenden Hundes ist bei delischen Mosaiken ein sehr häufig belegtes Rahmenmuster. Somit ist das Kieselmosaik aus Kyme, das enge Verbindungen zu solchen auf Delos und darüberhinaus zu hellenistischen Mosaiken aus Pompeji zeigt[29], spätestens in das ausgehende 2. oder beginnende 1. Jh. v. Chr. zu datieren.
Mit der ehernen 1,53 m hohen Figur eines Läufers, im April 1981 vor der kymäischen Küste von Fischern gefunden und in das Archäologische Museum von Izmir verbracht, wurde den großen Bronzen der Antike eine neue Statue hinzugewonnen (Abb. 6)[30]. Der Athlet, ein siegreicher Wettläufer, hat seinen Kopf leicht nach links gewandt und bewegt sich in lockerem Lauf. Sein rechtes Bein ist vorne aufgesetzt, das linke nach hinten abgewinkelt. Der rechte Arm fehlt. In der leicht vorgestreckten Linken trug er einen Gegenstand, der verloren ist. Auf seinem Kopf trägt er einen Eichenkranz. Obwohl die bronzene Athletenstatue unter lysip- pischem Einfluß steht, zeigt sie kompositionell eher Ähnlichkeit mit den zentrifugalen Figuren der späthellenistischen Zeit. Mit dem Wettläufer von Kyme kann als ein ebenfalls lysippischen Einfluß wiederspiegelndes und unserem Fund nahestehendes Werk eine bronzene Athleten-statue verglichen werden, die 1964 von italienischen Fischern im Adriatischen Meer gefunden und 1977 vom. J. Paul Getty Museum in Malibu erworben wurde[31]. Insbesondere die Haltung des Kopfes und des linken Armes dieser Statue sind unserer Figur sehr ähnlich. Auch der bronzene Agon oder Eros Enagonios des Boethos Kalchedonios aus dem Schiffsfund von Mahdia[32] zeigt in seiner zentrifugalen Komposition gewisse Ähnlichkeiten zur kymäischen Läuferstatue. Nach diesen Vergleichsbeispielen geht die Bronze auf ein Original aus späthellenistischer Zeit zurück. Ihr Vorbild wird etwa um 130/20 v. Chr. zu datieren sein[33]. Andererseits zeigt sie besonders mit ihren flachen Haarsträhnen deutlich spätrepublikanische Stilzüge[34]. Daher können wir die Statue als eine Kopie aus dem 2. Hälfte des I. Jhs. v. Chr, bestimmen.
Während der 1981 von dem Archäologischen Museum Izmir im ersten Feld durchgeführten Ausgrabungen entdeckte man auf dem marmorbedeckten Boden Spuren zweier Türflügel, die darauf schließen lassen, daß die oben erwähnten Archippe-lnschriften zu beiden Seiten einer Tür angebracht waren[35]. Zu welchem Bau sie freilich gehört haben, ob er vielleicht das von Archippe gestiftete Bouleuterion selbst ist, kann nach dem jetzigen Stand der Ausgrabungen nicht sicher beurteilt werden.
Wenn man die Grabungsgeschichte von Kyme betrachtet, kann man sagen, daß die Stadt in archäologischer Hinsicht glücklos ist, denn sie wurde in verschiedenen Zeiten von immer wieder anderen Forschem ausgegraben. Hinzu kommt, daß die letzten Veröffentlichungen über die Stadt von Forschern geschrieben wurden, die nicht selbst an den Ausgrabungen teilgenommen hatten. Seit 1982 hat ein neues Ausgrabungs team unter der leitung des Verfassers mit Arbeiten in Kyme begonnen. Diese Forschungen wurden in Zusammenarbeit mit einer Gruppe der Universität Catania unter der Leitung von S. Lagona durchgeführt, die im Rahmen ihrer Untersuchungen über antike Hafenbauten in Westanatolien auch an der Seeseite von Kyme und seiner Umgebung arbeitet[36]. Die türkischen Ausgrabungen haben am 26. August 1982 begonnen und sind zunächst am 21. September 1982 beendet worden. Unsere Arbeiten hatten zum Ziel, den Stadtplan weiter zu klären und eines der monumentalen Bauwerke des antiken Kyme freizulegen. So haben wir bei dem in der archäologischen Literatur als Säulenbau bezeichneten Gebäude unsere Ausgrabungsarbeiten begonnen[37]. An den verbliebenen Bauresten, die nach den Sondagen von 1953 wegen der dicken Florabedeckung und infolge von Verschüttungen fast vollständig verloren gegangen waren, wurde zunächts eine gründliche Säuberung durchgeführt. Bei diesen Arbeiten sind sieben unkannelierte, zweireihig stehende Säulen sowie weitere umgekippte Säulentrommeln zum Vorschein gekommen (Abb. 7). Auf den Lagerflächen der Trommeln sind jeweils zwei quadratische Dübellöcher mit Gußkanal und ein zentrales Dübelloch zu erkennen. Außerdem konnten im Zuge der Säuberungsarbeiten einige Marmorblöcke mit Ehreninschriften und profiliierten Deckplatten geborgen werden, die als Basen sämtlich zu einer monumentalen Statuenweihung des Sextus Appuleius und seiner Familie gehören[38]. Durch die neu begonnenen Ausgrabungen sollte geklärt werden, ob die in zwei Reihen stehenden Säulen sich nach Norden und Süden hin fortsetzen und sich in situ befinden. Mit fortschreitender Arbeit wurde deutlich, daß die Säulen tatsächlich nach Norden und Süden hin weiterlaufen und daß der Bereich zwischen den beiden Säulenreihen dicht mit Steinen verschiedener Größe angefüllt war. Später zeigte sich, daß die Abstände zwischen den Säulen mit einer aus Spolienmaterial gebildeten Mauer geschlossen waren und daß die Steinanfüllung zwischen den Säulenreihen von den bei einem Erdbeben umgekippten Spolienmauem stammt (Abb. 8). Die Achsabstände der Säulen schwanken zwischen 3,20 m und 3,80 m.
Die Frage, ob die Säulen sich in situ befinden oder nicht, klärte sich durch Entfernung der Steinfüllung. An manchen Stellen standen die Säulentrommeln auf einer Hachen Erhöhung aus Mörtel und Ziegelfragmenten. Dies zeigt, daß mindestens einige der Säulen hier zum zweitenmal aufgestellt worden waren. Zwischen den beiden Säulenreihen trafen wir auf einen Fußboden aus großen Kalksteinblöcken (Abb. 9). In seinem heutigen Zustand besteht der Bau also aus zwei Reihen von Säulen, deren Abstände Mauern aus Spolienmaterial schließen, und einem Fußboden zwischen den beiden Säulenreihen. Verschiedenfarbige Stuckreste (Abb. 10) sowohl an den Mauern und Säulentrommeln als auch an den Steinblöcken, die von den Spolienmauern heruntergestürzt sind, erweisen, daß der Bau in seinem Inneren stuckiert und ein geschlossener Raum gewesen ist. Die von einem älteren Vorgängerbau stammenden Säulen wurden mit dem Ziel, einen gedeckten Raum zu schaffen, ungefähr in gleichen Abständen wie vorher neu aufgestellt und durch Zwischenmauern miteinander verbunden. Sie bildeten im Verband dieser Wände Halbsäulen, die sowohl statische als auch ästhetische Funktionen erfüllten. Der Stucküberzug diente einer einheitlichen Raumwirkung.
Auch darüber hinaus ergab sich, daß bei der neuen Festlegung der Säulenreihen sowie der Säulenabstände der Vorgängerbau, aus dem die Säulen stammen, eine große Rolle gespielt hat. Beim Errichten des neuen Raumes hatten wenigstens zwei oder drei noch in situ stehende Säulen aus dem früheren Bau zur Orientierung gedient, so daß nach ihrem Vorbild die anderen Säulen in Abstand und Ausrichtung aufgestellt werden konnten (Abb. 11). Zu diesem Ergebnis führen Beobachtungen an den nördlichen und südlichen Säulen der östlichen Reihe. Wie schon erwähnt, stehen die nördlichen Säulen auf einer aus Mörtel bestehenden Schicht, also über dem Niveau des Fußbodens. Dagegen gely der untere Teil der südlichen Säulen unter das Niveau des Fußbodens. Hier zeigte sich, daß der Fußboden erst nach der Neuaufstellung der Säulen gepflastert wurde. Darauf weist auch ein Pavimentblock, der in seiner Form der Rundung einer Säule angepaßt wurde (Abb. 12). Damit dürfen wir annehmen, daß der vor den südlichen Säulen liegende Fußboden sich nach Norden hin fortsetzt und daß die anderen Säulen entsprechend den Säulen des Vorgängerbaues entlang dem Fußboden aufgestellt wurden.
Die Arbeiten sollen bei den südlichen Säulen der östlichen Reihe fortgeführt werden, um den weiteren Verlauf des Vorgängerbaues zu klären. Bisher ließ sich kein in seinem Zustand oder seiner Funktion vergleichbarer Bautyp finden.
Um die Errichtungs- und Einsturzzeit des durch wiederverwendete Baumaterialien geschaffenen Raumes zu bestimmen, besitzen wir wichtige Funde. Der Spolienmauer entstammt eine fragmentarische Inschrift (Abb. 13) aus gelbem, kleinkörnigen phokäischen Stein (H o, 26 m; B o, 445 m; T o, 15 m). Auf dem Block befindet sich eine vierzeilige griechische Ehreninschrift für Menodoros, den Enkel eines gewissen Parmeneitos. Menodoros hatte dem Rat der Alten, der Gerusia, einige hundert Denare hinterlassen. Diese Inschrift wird nach ihrem Buchstabencharakter in die Zeit vom ausgehenden 2. und beginnendem 3. Jh. n. Chr. zu datieren sein[39]. Daraus folgt, daß die Spolienmauern nicht vor dem 3. Jh. n. Chr. errichtet worden sein können. Die Datierung ihres Einsturzes ergibt sich aus Bronzemünzen, die unter der Steinfüllung auf dem Fußboden gefunden wurden. Allerdings erlauben zwei der fünf Münzen wegen ihres schlechten Erhaltungszustandes hier keinen näheren Anhaltspunkt. Die Vorderseite einer der drei besser erhaltenen Münzen zeigt Tyche mit einer Mauerkrone auf dem nach links gewandten Kopf und der Umschrift KYM-E. Auf der Rückseite erscheint ebenfalls Tyche, diesmal stehend nach links gewandt. Sie trägt in der rechten Hand einen Anker, in der linken Hand ein Füllhorn, erklärt von der Legende ΚΥΜ-ΑΙΩΝ (Abb. 14 a,b). Diese Bronzemünze ist ein Gepräge von Kyme und stammt aus der Zeit des Valerianus und Gallienus (253 - 268 n. Chr.)[40]. Die anderen beiden Münzen gehören in die Zeit des Gratianus (375 - 378 n. Chr.; Abb. 15)[41] und Valentinianus II. (378 - 383 n. Chr.; Abb. 16 a,b)[44]. Damit geben die Inschrift, die drei Bronzemünzen sowie unsere bisherigen Beobachtungen einige Hinweise auf Errichtung und Einsturz des Spolienraumes. Die Ehreninschrift aus der Zeit der Wende vom 2. zum 3. Jh. n. Chr. wurde nach dem Verlust ihrer Gültigkeit in der Mauer als Spolie aufgenommen. Die Verletzungen der anderen wiederverwendeten Architekturglieder lassen vermuten, daß sich ein heftiges Erdbeben ereignet hatte, bevor sie ein zweites Mal verbaut wurden. Diese zeitlichen Hinweise führen in die Jahre bald nach 262 n. Chr. Wahrscheinlich stürzte das Gebäude infolge eines schweren Erdbebens an der kleinasiatischen Westküste im Jahre 262 n. Chr, ein[43], dessen starke stoße offenbar auch Kyme trafen. Wenig später scheint der zerstörte Säulenbau wieder errichtet worden zu sein. Die älteste Münze, die auf dem Fußboden gefunden wurde, stammt aus der Zeit des Valerianus und Gallienus, unterstützt also unsere Überlegungen. Die anderen zwei Münzen zeigen, daß der Spolienbau mindestens bis zur Zeit des Gratianus und Valentinianus II. benutzt worden ist. Die Münze des Valentinianus II. gibt einen terminus post quem für die Zerstörung des Baues wohl durch ein erneutes Erdbeben. Ohne chronologische Bedeutung ist eine weitere Bronzemünze, deren Vorderseite das nach rechts gewandte Porträt des Kaisers Gordianus III. (238 - 244 n. Chr.) mit der Umschrift AKMANT. ГOPΔIANOC zeigt (Abb. 17 a,b). Auf der Rückseite erscheint neben einem nach links gerichteten Stier die Legende ΜΑΓΝΗΤΩΝ CIΠAOV. Diese Münze stammt aus Magnesia ad Sipylum[44].
Bei den Ausgrabungen im nördlichen Teil wurde außerhalb des Spo-lienraumes eine nach Westen hin verlaufende Mauer aus hellenistischer Zeit freigelegt, die wir beim jetzigen Stand der Ausgrabungen mit keinem anderen Bau in Zusammenhang bringen können (Abb. 18). Weiterhin wurden zwei dorische Kapitelle im südöstlichen Teil der Fläche gefunden (Abb. 19). An Architekturelementen sind Fragmente von Ecksäulen, Triglyphen und stuckierten Steinblöcken zu erwähnen, sowie in grosser Zahl gefundene Bruchstücke von Ziegeln, Dachziegeln und kreisförmigen Badziegeln. Außer diesen Baugliedem, die aus Tuff, Basalt und Terrakotta bestehen, konnten zwei Marmorfragmente von korinthischen Kapitellen geborgen werden. Unter den Einzelfunden ist das Fragment einer zweizeiligen griechischen Inschrift bemerkenswert (H 0,088 m; B 0,360 m; T 0,021 m). Sie handelt von der Tochter eines Apollodoros mit dem sel-tenen Namen Pyra, die der ebenfalls Pyra genannten Tochter eines Matrios eine Inschrift gesetzt hat. Die Inschrift läßt sich ins 2. Jh. v. Chr. datieren[45]. Westlich vom Fußboden befinden sich vier große flache blaugraue grobkörnige Marmorblöcke, Basen einer monumentalen Statuenweihung, die oben erwähnt wurde. Nach ihren zwischen 23/21 - 15 v. Chr. datierten Inschriften wurde sie für Sextus Appuleius, Prokonsul der Provinz Asia, sowie für seine Frau, seine Tochter und vielleicht seinen Sohn errichtet[46]. Diese Blöcke verblieben im Ausgrabungsplatz, um in Zukunft eine Rekonstruktion der Statuengruppe zu ermöglichen. Unter den Skulpturenfunden befindet sich das Marmorfragment des vorderen Teils eines rechten Fußes sow’ie das einer rechten Hand, die eine Omphalosschale trägt (Abb. 20). Diese gehört zum Taurobolium, zum Opferritus des Kybelekultes[47]. Ihr Kult war von hadrianischer bis gallienische Zeit in allen Teilen des römischen Reiches verbreitet[48]. Gerade Kyme ist ein Zentrum des Kybelekultes gewesen[49]. Weiter wurden einige Fragmente von Terrakotta-Figuren aus hellenistischer Zeit gefunden. Dazu kommt ein Satyrkopf auf dem Griff eines Kohlebeckens, ebenfalls aus hellenistischer Zeit[50]. Eine andere kleine Terrakotta-Figur stellt einen sitzenden Tempel jungen dar, der auf dem Kopf eine phrygische Mütze trägt (Abb. 21). Typen solcher Figuren sind im östlichen Mitteimeerbereich und in Anatolien zahlreich gefunden und allgemein in das 5-/4. Jh. v. Chr. datiert worden[51]. Einer der frühesten Funde der zXusgrabungen ist das Fragment eines Terrakotta Antefixes, das spätestens zu Beginn der klassischen Zeit entstanden ist. Unter vielen anderen, durch die Ausgrabungen im Jahre 1982 zutage gebrachten Kleinfunden sollen ein gläsernes Unguentarium aus dem späten t. oder frühen 2. Jh. n. Chr. (Abb. 22)[52] sowie ein Terrakotta Unguentarium aus der 2. Hälfte des 2. Jh. v. Chr. erwähnt werden[53]. Außerdem wurden Keramikfunde aus hellenistischer und römischer Zeit geborgen. Unter den Scherben, die sämtlich vor der hellenistischen Mauer zutage kamen, befinden sich vornehmlich solche im Westabhangstil sowie von megarischen Bechern.
Während in den Monaten /Xugust und September 1983 das italienische Forschungsteam seine Bodenuntersuchungen im inneren Teil des Hafens begann, konzentrierten sich die gleichzeitig einsetzenden türkischen Grabungen auf das eigentliche Stadtgebiet. Hier wurde etwa 15 m südlich des Säulenbaues, der im Jahr zuvor freigelegt worden war, eine neue Fläche von 5x10m geöffnet, mit dem Ziel, das südliche Ende des Baues zu finden (Abb. 23)[54]. Die ungewöhnliche Breite des Steges zwischen den Flächen bedingte ein hier verlaufender Weg, dessen Zerstörung zu Schwierigkeiten mit seinen einheimischen Benutzern geführt hätte. Bereits auf einem Niveau von ungefähr 50 cm Tiefe Begann in der südöstlichen Ecke eine nach Westen hin verlaufende Mauer aus großen Blöcken hervorzutre-ten, die zu einem bisher unbekannten Gebäude gehört und dessen nordwestliche Ecke bildet (Abb. 24). Auch diese Fläche war vollständig mit Steinen aller Größen angefüllt. Während der Säuberung befand sich genau in der Mitte des Platzes ein großer dorischer Geisonblock mit Mutuli. Weiter wurde in der Ecke 1 m vom östlichen Rand der Fläche entfernt, eine unkannelierte Säulentrommel aus Marmor freigelegt (L 1,35 m; Dm 0,46 m). Gleich dahinter wurde ein großer Architravblock mit zwei Fascien gefunden (Abb. 25). Beide Architekturfragmente gehören also zu einem Bau ionischer oder korinthischer Ordnung. Außerdem wurde am östlichen Rand der Fläche die Hälfte eines sog. Cyma-Recta-Kapitells frei-gelegt (Abb. 25)[55], Ähnliche Kapitelle finden sich an dem Markttempel in Pergamon, ebenso an Bauten in Assos und Aigai[56].
In einer Tiefe von ungefähr 1,15 m stießen wir auf einen weiteren, diagonal nach Westen hin verlaufenden Mauerrest (Abb. 26). Auf dieser, aus verschieden großen Steinen bestehenden, teilweise geglätteten Marmormauer lagen zwei attisch-ionische Säulenbasen, die vershiedene Profile zeigen (Abb. 27). Ihre Aufnahme ergab, daß der Trochilos nicht halbkreis förmig, sondern in stark modifizierter S-Formprofiliert gewesen ist[57]. Damit werden sie frühestens in das 2. Jh. n. Chr. datiert. Entlang des nördlichen Teils dieser Marmormauer verläuft ein Leitungssystem aus Tonröhren (Abb. 28).
Aus derselben Fläche stammen verschiedene Fragmente von korinthischen Kapitellen aus Marmor und einige Tonziegel (zumeist in den maßen 31 X to X 4 cm). Außerdem wurden einige kannelierte Säulentrommelfragmente ionischer oder korinthischer Ordnung gefunden. An Bauplastik kam ein Wasserspeier aus grauem Marmor zutage (8 x 14 cm). Die darauf dargestellte Löwenprotome hat sich weitgehend, die darunter auf eine vorgewölbte Rundung folgenden Löcher des Ausgusses haben sich nur noch in Ansätzen erhalten (Abb. 29)[58]. Nördlich der Mitte der Fläche wurde ein Inschriftenfragment auf etwa 1,90 m tiefem Niveau ge-funden. Die Ehreninschrift, von der sich nur die rechte untere Ecke gut erhalten hat, überliefert noch fünf Zeilen des ursprünglichen Textes. Aus ihnen geht hervor, daß der Inhaber einer nicht näher bestimmbaren Liturgie Geldmittel zur Vollendung eines goldenen Kranzes stiftete. Nach den Buchstabenformen ist die Inschrift in das 2. Jh. n. Chr. Entstanden[59]. Außerdem konnten ein Frauenkopf (Abb. 30) und die Kopflose Gewandfigur einer Frau aus Terrakotta geborgen werden. Beide plastiken, den myrinäischen Terrakotten sehr ähnlich, werden sich wohl in das 2. Jh. v. Chr. datieren lassen[60].
Während der Ausgrabungen haben wir ferner Oberflächenuntersuchungen und Sondagearbeiten durchgeführt. Bei den Oberflächenuntersuchungen im Jahre 1983 wurde etwa 15 m südlich unserer Fläche zwischenBuschwerk der obere Teil eines Knabentorso aus weißem Marmor gefunden, der mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Erosfigur gehörte (H 13, 5 cm; B 19 cm); Kopf, Arme sowie der untere Teil des Körpers fehlen (Abb. 31). Seine nach vorne gewölbte Brust und die Schultermuskeln lassen erkennen, daß er die Arme zu beiden Seiten des Kopfes erhoben hielt. An seinem Hals finden sich Spuren eines Gegenstandes, vielleicht einer Halskette.
Die Ausgrabungen im Jahre 1984 sollten klären, ob die Baureste mit den Säulentrommeln zu einer Stoa oder einem anderen Bautyp gehörten. Daher begannen wir die Fläche, die wir 1983 geöffnet hatten, auf ein Areal von 10 X 15 m zu erweitern. Zunächst wollten wir feststellen, ob die Marmormauerreste mit Basen nach Westen hin weiterlaufen oder nicht. So begannen wir hier eine neue Teilfläche zu öffnen. In dieser verläuft die Mauer bis zur Mitte, wird dort durch einen senkrecht stehenden flachen architekturblock begrenzt und beendet. Dieser Teil der Fläche war wiederum mit großen und kleinen Steinen gefüllt, unter denen sich einige Architravfragmente befanden. Danach haben wir die im Westen geöffnete Fläche nach Norden hin erweitert. Auch hier haben wir gesehen, daß viele Architektur fragmente eingestürzt und in der Erde steckengeblieben waren. Unter diesen ist besonders der große, mit Taenia, Regula und Guttae verzierte, also zu einem dorischen Bau gehörende Architravblock bemerkenswert großes Architravfragment, im Westen teilweise von Erde bedeckt (Abb. 32).
In derselben Fläche, ungefähr 1 m von ihrer Südecke entfernt, ist das Eckfragment eines Gebälkfrieses gefunden worden (Abb. 33). Das Friesstück aus weißem Marmor ist mit verschiedenen Ornamenten verziert. Wir sehen ein Anthemionornament mit alternierenden Palmetten und Akanthusblättern, die aus Stengeln und Spiralen hervortreten. Darunter befindet sich ein ionisches Kymation und ein Perlstab. Das Gebälk dürfte zu einem korinthischen Bau gehört haben. Im Dekorationsstil läßt sich der Friesblock, vor allem seine flach gebildeten Akanthusblätter, die eng zusammenliegenden Blattteile und ihre gebohrten Ösen, mit Bauornamentik in Aphrodisias, Ephesos und Ankara vergleichen, die der späthellenistischen, insbesondere der frühaugusteischen Zeit entstammt[61]. Nach diesen wichtigen Architekturfunden im nordwestlichen Teil der Fläche haben wir die Ausgrabung nach Norden hin erweitert. Hier konnten wir in ungefähr 2 m Tiefe zwei eingestürzte monolithe Säulenschäfte freilegen. Einer der Säulenschäfte ist unkanneliert, ebenso der andere an seinem unteren Teil, der sich dann aber kanneliert fortsetzt. An diesem befindet sich eine rechteckige Höhlung (Abb. 34). Nach diesen Funden haben wir die Fläche noch einmal nach Nordosten hin erweitert. Während der hier ausgeführten Arbeiten trafen wir in etwa 50 cm l iefe auf einen Säulenschaft, der zum Säulenbau gehört, den wir 1982 weiter nördlich freigelegt hatten. Auf einem tiefer liegenden Niveau stießen wir auf einen zweiten Säulenschaft im Westen, schräg neben dem ersten liegend. Zwischen beiden Säu-lenschäften konnte ein kleiner fragmentierter Steinblock (H 0,25 m; B 0,14 m; T 0,07 m) mit 17 Zeilen einer griechischen Inschrift geborgen werden. Der Text stammt wahrscheinlich aus hellenistischer Zeit, wohl dem 3. oder 2. Jh. v. Chr., und handelt von einer Gesandschaft nach Thessalien, möglicherweise auch in die kymäische Kolonie Ainos nahe der thrakischen Grenze[62] Weiter in die Tiefe dringend sind die Säulentrommeln vollständig hervorgetreten. Unmittelbar vor diesen kam ein gro ßer Geisonblock zutage, der umgekehrt auf dem Fußboden lag. Nach seiner Säuberung haben wir den hier angrenzenden Fußboden freigeiegt (Abb. 35). Das Geisonfragment (L 2,78 m; B 0,97 m) ist in zwei große und mehrere kleine Teile zerbrochen. An seiner Unterseite befindet sich ein Zahnschnittornament. Als wichtigstes Ergebnis unserer Arbeiten im Jahre 1984 läßt sich festhalten, daß die Säulen und der aus großen Kalksteinen bestehende Fußboden des Säulenbaues sich nach Süden hin im Areal der neu geöffneten Fläche fortsetzen. Zugleich haben unsere seit 1982 in Kyme durchgeführten Ausgrabungen gezeigt, daß der bisher allein in augusteische Zeit datierte Säulenbau sich in vershiedenen Bauphasen von der späthellenistisch-frühaugusteischen Epoche bis zur Spätantike hin nachweisen läßt.
Eine Reihe von Einzelfunden, die aus der 1984 geöffneten Fläche stammen, sollen angeschlossen werden. An Architekturteilen kamen Bruchstücke von korinthischen Kapitellen und einem fragmentierten Löwenkopfwasserspeier aus grauem Marmor (H 11 cm; B 13 cm) zutage (Abb. 36). Sein geschlossener Ausguß zeigt, daß er aus römischer Zeit stammt[63]. Die Skulpturenfunde sind sehr spärlich. Geborgen werden konnten ein schöner Terrakotta-Frauenkopf (H 5,2 cm)[64] und ein Eroskopf[65], ebenfalls aus Terrakotta (H 4 cm), der während der Oberflächenuntersuchungen am östlichen Teil des nördlichen Hügels gefunden wurde (Abb. 37, 38). Die Figuren zeigen myrinäischen Stil und werden ins 2. und t. Jh. V. Chr. gehören. Weitere Funde sind Öllampen, von denen die mit fünfblättriger Rosette im Spiegel beinahe vollständig erhalten ist (Abb. gg)[66]. Ein anderes Lampen fragment ziert ein zweizeiliges Nagelkopf-Muster. Außerdem haben wir im Jahre 1984 zwei Sondagen unternommen. Die erste Sondage hat in einem Tabakfeld westlich des Säulenbaues stattgefunden. Hier wurde die Ecke eines Baurestes freigelegt (Abb. 40). Auf einem Mauerzug kam eine Basis zutage, die aus einer Säulentrommel gebildet ist. Darauf ist eine achtzeilige griechische Inschrift eingemeißelt (Abb. 41). Die Inschrift nennt einen Bewohner von Kyme, einen gewissen Apollonides, der dem Gott Sarapis ein Οπονδείον geweiht hat[67]. Auf dem Postament sind Dübellöcher und andere Befestigungsspuren zu erkennen, die einen Hinweis darauf geben, wie die Opferschale hier eingelassen war. Obwohl wir das Sondageareal erweitert haben, konnten wir das dazugehörige Objekt nicht finden (Abb. 42). Die zweite sondage ist im südwestlichen Teil der 1982 geöffneten Fläche durchgeführt worden. Hier wurde ein facettierter dorischer Säulenschaft freigelegt (Abb. 43).
Die Ausgrabungen in Kyme haben gezeigt, daß Baureste der antiken Stadt noch in beträchtlichem Umfang unter der Erde erhalten sind. Kyme, dessen bedeutende Kunstwerke in die großen Museen der Welt, den Louvre, das British Museum, das Paul Getty Museum und andere mehr gelangt sind, ist in den letzten Jahren von verschiedenen Industrieanlagen umgeben worden (Abb. 44, 45). Das Gebiet, das sich auf diese Weise wirtschaftlich rasch entwickelt, wird durch die Ausgrabungen in Kyme auch für den Tourismus interessant werden und dadurch größere Bedeutung gewinnen.
Anschrift: Doç. Dr. Vedat Idil, A.Ü. Dil ve Tarih Coğrafya Fakültesi, K. Arkeoloji Ana B. Dalı, TR - Ankara.