ISSN: 0041-4255
e-ISSN: 2791-6472

SEMRA ÖGEL

Der holländische Reisende Cornelis De Bruin beschreibt in seinen Reiseaufzeichnungen auf den Weg von Russland, durch Kaukasien, Persien, Indien bis nach Indonesien, alle Sehenswürdigkeiten seiner Reiseziele auf ausführliche Weise. So sind z. B. die Ruinen von Persepolis zum ersten Male von ihm eingehend untersucht und gezeichnet worden. Einige Monumente die er im Ostkaukasus auf dem Weg nach Persien, in Azerbeycan, sieht, sehr interessant findet, in Wort und Bild wiederzugeben versucht, sind auch für uns von grossem Interesse. Es handelt sich um die Grabmäler Jediekombet =Yedi Kümbet= Sieben kümbets, und die Kuppelgräber von zwei örtlichen Heiligen.

Yedi Kümbet liegt 3 Stunden entfernt von Schemacha, eines der wichtigsten Zentren Azerbeycans, bei dem Dorfe Kirkins und wird von De Bruin am 14. August 1703 besichtigt. Obwohl der Name sieben ausgibt, kann man neun Kümbets ( = Grabtürme) zählen. (Abb. 42) Die polygonalen Grabmälcr mit pyramidalen, zeltartigen Dach sind typisch türkische Kümbetformen welche die Seldschuken einführten, von denen viele Beispiele in Persien und Anatolien zu finden sind. Der sorfältig ausgeführte Steinbau bringen diese Grabmäler mit den anatolischen in engeres Verhältnis. De Bruİn untersucht einpaar dieser Kümbets eingehend, mit detaillierten Massangaben. Das Zeltdach erweist sich als äussere Umschalung, innen sind die Kümbets mit einer flachen Kuppel bedeckt, eine allgemeine Eigenschaft der Kümbets mit dieser Dachform. Eines jedoch ist “leer bis an die Turmspitze” also ohne innere Kuppel.

In den Kümbets befinden sich mehrere schöne Grabsteine. Von den eigentlichen unterirdischen Grabkammern wo die Toten bestattet sind, während die Sarkophage oder Grabsteine im oberen zugänglichen Raum aufgestellt wurden, berichct De Bruin nichts.

Die Kümbets werden von Mauern umgeben von denen gelegentlich sich ein Portalblock hervorhebt, eine Eigenschaft welche ungewöhnlich ist für die anatolischen Kümbets, mit der Ausnahme von Mama Hatun bei Tercan in Ostanatolien. Dort ist jedoch die Mauer viel höher und das Portal grösser und ausgeprägter. Ober den üblichen und oft ziemlich hohen Sockel der anatolischen Kümbets verfügen die Yedi Kümbet nicht.

Eines der Kümbets zeigt keine Grabsteine auf und ist von mehreren kleinen Räumen umgeben.

Die Bewohner der Umgebung sehen diese Grabmäler als sehr alt an und wissen von ihnen zu berichten dass Alexander der Grosse sie wegen ihres Alters verschont habe! Gegenüber den Bauten befindet sich ein grosser Steinhaufen. De Bruin schliesst daraus dass hier eine Burg oder Stadt gestanden haben muss, was von de Einwohnern bestätigt wird.

Auch auf einen Hügel neben Schemacha, “Pjedrakoes”, befinden sich solche Grabmäler. Eines davon zeigt die runde Kümbet form. (Abb. 43) In ihm befindet sich ein Sarkophag dessen Form und Kassettengliederung weder in der seldschukischen noch in der anti-ken Kunst üblich ist. Blättermotive füllen die quadratischen Felder der Gliederung. Im Hintergrund von Abb. 44 ist ein von De Bruin als “offenes Grabmal” bezeichnetes Gebilde zu sehen, welches eine aussergewöhnliche Form hat für ein Grabmal und nicht als ein solches gelten dürfte. Die verfallene Seite des Kümbets (Abb. 44) lässt die Bautechnik erkennen, Bruchmauer mit Steinverkleidung, dieselbe Technik anatolisch-seldschukischer Bauten.

Die Seldschuken herrschten vom 11-13. Jahrhundert in diesen Ländern. Die Kümbets sind eine den Seldschuken eigene Bauform welche in diesem Gebiet noch lange weiterlebte. Man könnte auch annehmen dass die Grabmäler aus seldschukischer Zeit stammen. Die gut bekannten seldschukischen Kümbets in Azerbeycan, z. B. Mümine Hatun in Naheivan, (1186), sind zwar reich geschmückte Ziegeibauten. Der Steinbau und Bautechnik ander erseits zeigen eine Verwandschaft dieser Kümbets mit den anatolischen. Die Aussage der Einwohner über das grosse Alter —angeblich vor Alexander den Grossen— und die Trümmerstadt daneben weisen auch auf die längst vergangenen seldschukischen Zeiten. Erstaunlich aber ist dass, in diesem Fall, trotzdem die Seldschukenherrschaft kurz war, kein Wort über sie fallt und De Bruin keine Ahnung bekommt dass diese Bauten mit türkischer Namen aus diesen türkischen Herrschaftszeiten stammen könnten.

Die beiden Kuppelmausoleen liegen bei “Pyrmaraes” in der Nähe von Schemacha. Das erste, die Türbe von Seyid Ibrahim, sieht mit zinnenartigen Erhöhungen auf der Mauer und Ecktürmchenar-tigen Gebilden, eher einer Festung ähnlich (Abb. 4) Es handelt sich um einen Baukomplex mit mehreren Räumen und Höfen. In einem der Höfe befinden sich Grabsteine mit türkischen Inschriften. Der Bau liegt an einer Bergwand. Der Kenotaph des Seyit Ibrahim, eines sehr verehrten heiligen Mannes, befindet sich in dem mit einer Holztür fest verschlossenen Hauptraum und ist mit einem grünem Tuch bedeckt. Neben ihm stehen auch andere Kenotaphe.

Das zweite Mausoleum, “Tiribbaba” genannt, ist ziemlich schwer zu erreichen da man von dem Grabbau des Seyit Ibrahim aus, vorsichtig einen schmalen Weg an steilen Bergwänden entlang gehen muss. Auch dieser Bau lehnt sich an eine hohe Felsenwand. De Bruin bewundert die Fassade aus polierten Steinen sehr. Sie hat drei Fens-teröffnungen, von denen das eine ein Fliesenfeld (?) im Bogen und ein Gitter aus Stein aufzeigt. Auch dieses Mausoleum besteht aus mehreren Räumen. Der von einer Kuppel bedeckte Hauptraum hat acht Nischen. Ein breites Fenster mit Holzgitter nimmt die Fassadenseite ein. Durch eine niedrige Tür rechts kommt man in ein kleines, aus den Felsen gehauenes Grotto, wo in einer Ecke ein Steingitter einen Halbkreis um den Felsen formt. Hier soll der Besitzer der Türbe bestattet sein, der Legende nach kniend, in der Haltung in der man den heiligen Mann in seinem Leben am häufigsten sah.

Dieser Hauptraum ist reich verziert. Die Nischen werden von kleinen Säulchen flankiert. Durch eine Treppe kann man kriechend das Dach des Gebäudes erreichen. Drei aus dem Felsen gehöhlte Um-gänge führen um die Kuppel.

Es ist De Bruins Verdienst, nach seinen Möglichkeiten diese Werke auf die eingehendste Weise untersucht zu haben. Sehr wün-schenswert wäre es weiteres über diese Bauwerke zu ermitteln und ihren Platz in der türkischen Baukunst klar zu bestimmen. Die bei den Kuppelgräber könnten vielleicht mit ihren mehreren Räumen und abgelegener Lage eine Art von Kloster oder Einsiedelung sein. Die Kuppelform und die kleinen Ecktürmchen zeigen einige Ähnlichkeit mit der Moschee des İshak Paşa Palastes bei Doğu Beyazıt (Ostanatolien). (Abb. 5) Die Yedi Kümbets gehören zu den wichtigsten Werken des Mittelalters in diesem Gebiet.